Mein Papa sitzt rauchender Weise auf dem Sofa und hört Musik. Meine Mutter steht in der Küche und bügelt die Wäsche. Ich finde meine Mutter ist die schönste Mutti der Welt. Ihre Haare sind kurz und pechschwarz. Ein bisschen sieht Sie wie Schneewittchen aus, mit ihren hellblauen Augen. Ich liebe es, wie Sie das Bügeleisen über die Wäsche zieht, und dann alles feinsäuberlich zusammengefaltet auf den Küchentisch legt.
Im Moment stehe ich vor dem großen Spiegel in unserer Diele und schneide Grimassen. Ein Tag wie jeder andere, nein, das ist er bestimmt nicht.
Es ist der 06. Dezember 1966 und ich werde heute 6 Jahre. Was für ein Datum -
was für ein tolles Alter. Ich liebe mich in diesem schönen neuen Kleid mit dem
viereckigen Ausschnitt, er ist rundherum mit einer Borte besetzt, diese ist verziert mit einem goldenen Glitzerfaden. Die Borte wiederholt sich an den aufgesteppten Taschen. Taschen am Kleid sind etwas Wunderbares und das nicht nur zum Händewärmen. Hier kann man alles Mögliche mitnehmen…..
Meine Schuhe passen nicht zum Kleid. Muttis sind bestimmt sehr hübsch dazu.
Es sind Ihre Sommerschuhe. Sie haben feine goldene Riemchen und eine Plateausohle.
Ich ziehe die Schuhe an, sie sind etwas zu groß aber total schön.
So groß bin ich schon, eine feine Dame. Vor dem Spiegel drehe ich mich hin und
her und lasse dabei meine Haare fliegen.
Mutti schimpft, ich soll ihre Schuhe nicht anziehen, doch das höre ich jetzt nicht. Unmöglich
kann ich diese Schuhe wieder ausziehen, denn heute ist mein Geburtstag.
Mutti hat noch ordentlich was zu tun, schließlich wollen alle gleich Kuchen essen und der ist noch nicht einmal im Ofen.
Es soll ein tolles Fest für mich werden. Der Nachbarjunge Till kommt und meine Kusine Andrea. Meine Mutti schiebt den Kuchen in den Ofen und die Wäsche vom Tisch kommt in einen Korb, dieser wird ins Schlafzimmer gestellt. Dann wird der Küchentisch hübsch gedeckt. Meine große Schwester hilft Mutti immer. Sie ist sehr fleißig.
In kürzester Zeit haben die Beiden alles so hübsch gemacht, dass die Gäste endlich eintrudeln könnten.
Der Puppenwagen mit meiner Puppe steht in der Küche. Mein Baby liegt frisch gewaschen,
mit einem schönen blauen Strampler unter dem Kissen und könnte einen Spaziergang vertragen. Ich bin zu aufgeregt, unmöglich kann ich jetzt
herumlaufen, auch wenn es hier langsam langweilig wird. Dazu wird es bald dunkel und im Dunkeln werde ich nicht spazieren gehen, da habe ich Angst.
Zwischen Spiegel, Puppenwagen und Küche bewege ich mich hin und her. Gedulden soll ich mich, es kommt eine Riesen-Überraschung hat Mutti gesagt. Ha, die hatte ich bereits, denn ich hatte meine Nase überall hineingesteckt und geschnüffelt, ob nicht irgendwo mein Geschenk zu sehen war. Eigentlich bin ich ein bisschen beleidigt (schön sehe ich aus, Spieglein, Spieglein an der ….und noch eine Drehung… fliegt meine Haare fliegt…) die rote Tasche, die im Kleiderschrank versteckt war, die hätte ich gerne gehabt. Doch auspacken durfte ich nur dieses Kleid. Hübsch ist es zugegeben, aber…..-
nun es sollte nicht sein. Gut, dass mich keiner beim schnüffeln erwischt hat, könnte ja mal
fragen, für wen die tolle Tasche ist. „Mutti“ , „ja, Petra“ , „Ach schon gut“, - und noch eine
Drehung vor dem Spiegel.- „Was denn meine Süße?“ „Wann kommt Andrea?“
„Jede Minute“. Da schellt es an der Tür. Ich trenne mich von meinem tollen Spiegelbild und mache die Türe auf. Der Nachbarjunge steht vor mir. Eigentlich mag ich Ihn nicht so sehr, aber so lange meine süße Kusine nicht da ist, soll es mir recht sein. Warum hat Mutti ihn eingeladen. Sie hätte mich mal Fragen können.
Da steht er, frisch gekämmt, mit gesengtem Kopf und einem Geschenk in der Hand. Ja, Geschenke sind prima!
Ich ziehe Ihn zur Tür herein und knöpfe ihm das kleine Päckchen ab. Zusammen gehen wir in die Wohnküche. Was sage ich ihm jetzt? Herrlich ich brauche mir keinen Kopf machen, denn es schellt schon wieder. Ich hüpfe zur Tür. Da sind Andrea und meine Tante. Ich Liebe diese beiden. „Kommt herein“, „wo sind die Ge….“, Christina, Andys Schwester und mein Onkel (Irgendwie hat er keine Augen, wieso braucht er eine Brille? Wieso brauchen Leute die keine Augen haben eine Brille?) stehen auch noch da, ….“Geschenke, lass sehen Andy.“ „Komm, komm herein.“ Ein großer Empfang, voller Freude, voller Liebe. Alle sind wir in der Wohnküche. Ich habe immer noch diese tollen Schuhe an. Ich sehe Andreas Blick und bin unsagbar glücklich.
Wir Kinder bekommen den Auftrag jetzt ganz leise zu sein.
Gleich kommt die Überraschung. Was für eine Aufregung. Andrea und ich halten uns bei den Händen. Dann hören wir etwas im Flur. Es hört sich an wie das Klimpern einer großen Metall- Kette. Mein Vater sagt: “Das ist Knecht Ruprecht.“ HIIIIILLLLLFFFEE ich habe große Angst. Was will der hier, ich habe Geburtstag und will feiern. Ich möchte meine Geschenke auspacken…. (der weiß sicher, dass ich gelünckert habe) Bitte, bitte Mutti mache nicht die Tür auf. Ich fasse Andrea bei der Hand und wir verkriechen uns unter dem Küchentisch. Mutti macht tatsächlich die Türe auf. Ich kann nicht mehr atmen! Wir sind ganz still, unsichtbar, nicht in dieser Welt. Da kommt Knecht Ruprecht, ganz schwarz ist er im Gesicht, hat einen langen Stab in der einen Hand mit dem er tüchtig auf unseren Boden stampft. Bong, bong ganz laut mit einem grimmigen Gesichtsausdruck. In der anderen Hand wackelt er mit einer langen, silbernen Kette. Wow, so Eine habe ich noch nie gesehen. Direkt hinter Ihm ist der Nikolaus. Der Nikolaus ist schön, er hat einen langen weißen Bart (was auch sonst), einen Rucksack (hier sind bestimmt noch Geschenke drin) und ein goldenes, dickes Buch.
Unter dem Tisch denken wir uns in Sicherheit und ich werde ganz bestimmt nicht herauskommen. Nicht solange dieser schwarze Mann da steht.
Andrea schiebe ich immer ein bisschen nach vorne. Till, der jetzt auch unter dem Tisch hockt, ist noch vor mir, so kann mich keiner sehen. Hoffentlich
verraten mich die Erwachsenen nicht. Toll, wie könnte es anders sein, in diesem Moment höre ich Mutti schon wie durch einen Schleier rufen: „Petra…, Kind…!“ „Der Nikolaus ruft dich, komm doch bitte.“ Nein, nie im Leben. „Petra!“ Nein ich bin taub und schiebe Andrea wieder etwas nach vorne. „Petraaaaaaa!“ Jetzt ist es passiert, nein, Hilfe, alles zwischen meinen Beinen wird warm. Ich habe mir in die Hose gemacht.
Was mach ich nur. „Petraaaaa!“ Mutti wird ungeduldig und der Nikolaus auch. Ich komme aus meinem Versteck. Die beiden anderen hinter mir her. Dem Nikolaus gebe ich die Hand, weil Mutti mich noch ein bisschen nach vorne schiebt. Ich nicke ein paar Mal mit dem Kopf. Was er gesagt hat, keine Ahnung. Darauf konnte ich mich nun wirklich
nicht mehr konzentrieren. Er hat was aus seinem Buch vorgelesen glaube ich.
Es war nichts schlimmes, denn alle lächelten. Andy stand jetzt bereits neben mir.
Ich sagte mein Gedicht auf. Rubbeldikatz - ganz schnell - dann noch einen Knicks und schwupp laufe ich ins Schlafzimmer. Hier ziehe ich meinen Schlafanzug an und gehe ins Bett.
Keiner bekommt mich noch zu Gesicht. Es ist schön in Muttis Bett, dieser Duft.
Ein tolles Fest. Mein Geburtstag.
Ich bin fast schon groß, wenn da nicht dieses kleine Missgeschick passiert wäre.
Dann schlafe ich ein und träume, von einer roten Tasche und von Weihnachten.
3 Kommentare:
Was für eine schöne Geschichte... ich war ganz versunken. Und du hast völlig recht - deine Mama ist Schneewittchen. Süß, Goldlöckchen... hast ein ordentlich schlechtes Gewissen gehabt, was? ;o) Ich habe auch mal Geschenke geschnüffelt - das mach ich nieeeee wieder - nicht, weil anschließend Knecht Ruprecht dastand (du Arme) sondern, weil ich mir selbst die ganze Überraschung genommen habe..... Nie wieeeeder sach ich dir. ;o)
Deine J.
Ja, mein Schneewittchen. Ich war immer ganz stolz auf meine schöne Mama.
Sie ist nicht nur schön, sondern auch sehr warmherzig und will so manche kleine Missgeschicke gar nicht merken!
Deine Kommentare verschwinden auf wundersamme Weise. ;-( Ich bin schon ganz traurig.
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